Die deutschen Grünen könnten dem Kern gnadenlos ausgeliefert sein

Aus tschechischer Sicht mag das wie ein Energiespiel oder Wahnsinn erscheinen. Einerseits hat die Bundesregierung begonnen, Notfallszenarien wegen des begrenzten Erdgasangebots aus Russland vorzubereiten, andererseits hat sie nicht an ihrem Beschluss geschwankt, bis Ende dieses Jahres keinen Strom mehr zu fließen letzten drei Kernkraftwerke in Betrieb im Land.

In den letzten Tagen zeichnete sich jedoch die Möglichkeit ab, dass Deutschlands Kernreaktoren zumindest für das nächste Jahr länger in Betrieb bleiben könnten. Dazu tragen vor allem der Anblick ungeheizter Wohnungen und Stromausfälle im darauffolgenden Herbst und Winter bei.

Nach der anschließenden Schließung der Atomblöcke, die übrigens jünger sind als das tschechische Dukovany, rufen einige Experten und Politiker der oppositionellen konservativen CDU/CSU-Fraktion immer eindringlicher. Auch eine der drei Koalitionsparteien, die Liberalen (FDP), tendiert offen zu einer vorübergehenden „Begnadigung“ des Kerns.

Die Sozialdemokraten (SPD) von Bundeskanzler Olaf Scholz und vor allem die Grünen, für die die Opposition gegen die Atomenergie eine der historischen Säulen des Programms ist, sind jedoch nicht damit einverstanden, die Zusage zu brechen, dass Deutschland auf seine eigene Energie verzichten wird. Nuklear ab Januar 2023.

Doch am Sonntag deutete die Präsidentin der Grünen, Ricarda Langová, an, dass eine vorübergehende Verlängerung des Betriebs der Atomkraftwerke nicht ausgeschlossen werden könne. In einer Fernsehdebatte betonte siedass es notwendig sei, auf die aktuelle Situation zu reagieren und „alle Maßnahmen zu prüfen“.

Daraufhin kam eine Meldung aus dem von grünen Politikern geleiteten Wirtschafts- und Umweltministerium, dass Deutschland den bereits im März bestandenen Energiestresstest wiederholen werde. Der längere Betrieb des Kerns wurde seinerzeit als eindeutig unwirtschaftlich und riskant eingeschätzt.

Der neue Test soll ein Katastrophenszenario untersuchen, bei dem es gleichzeitig zu einem Blackout von Atomkraftwerken in Frankreich und gleichzeitig zu wenig Gas kommt.

„Basierend auf diesen Ergebnissen haben wir entschieden, was zu tun ist.“ Sie sagte Sprecher des Wirtschaftsministeriums. Er fügte hinzu, dass eine Entscheidung über die mögliche Verlängerung des Betriebs der Kernreaktoren auf der Grundlage „klarer Fakten“ getroffen werde.

Wenn sich die Grünen endlich mit dem längeren Betrieb der Reaktoren abfinden könnten, wäre dies der x-te Rückzug aus ihren traditionellen ideologischen Positionen als Folge des Krieges in der Ukraine. Trotz ihrer pazifistischen Wurzeln haben sie bereits Waffenlieferungen nach Kiew unterstützt. Wegen des Mangels an russischem Gas, von dem Deutschland stark abhängig ist, müssen sie hart daran arbeiten, die Leistung der Kohlekraftwerke zu steigern.

Einige Medien plädieren zumindest im nächsten Jahr stärker für die Stromerzeugung in Kernreaktoren. Gleichzeitig konzentriert sie sich darauf, die früheren Argumente der Regierung gegen einen längeren Betrieb der Reaktoren zu kritisieren.

Ein Atom für drei Millionen Haushalte

In Deutschland sind noch drei Kernkraftwerke in Betrieb: Isar 2 in Bayern, das Kernkraftwerk Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg. Rund sechs Prozent des produzierten Stroms stammen aus dem Kern, der Anteil aus Gaskraftwerken ist etwa doppelt so hoch.

„Drei Kernkraftwerke haben im vergangenen Jahr 33 Terawattstunden Strom produziert. Wenn man daraus Gas macht, kann man damit rund drei Millionen Häuser heizen“, sagt Atomexperte Walter Tromm vom Karlsruher Institut für Technologie.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hinterfragte mehrere Kernaussagen, mit denen die Grünen-Minister ihre Ablehnungsposition begründen. Zum Beispiel die Aussage von Wirtschaftsminister Robert Habeck und anderen, dass eine Fortsetzung der Kernenergieproduktion Deutschland nicht helfen würde, weil das Problem nicht am Strom, sondern am Heizgas liege.

Laut der Zeitung ist damit zu rechnen, dass die Menschen aufgrund der drohenden Gasversorgung auf Heizung aus elektrischen Quellen umsteigen, was den Stromverbrauch natürlich erhöhen wird.

Auch das Argument, dass die derzeit begrenzte Anzahl an Brennstäben für deutsche Kraftwerke einen langfristigen Betrieb der Reaktoren verhindert, ist nicht ganz richtig. Bestehende Bestände könnten Experten zufolge bis zum nächsten Jahr aufgebraucht werden.

„Für den Weiterbetrieb notwendige Brennstoffzellen wären bis Sommer 2023 verfügbar. Bis dahin könnte der Dauerbetrieb laufen und die Anlagen zu rund 80 Prozent ausgelastet bleiben“, sagte Kernphysiker Clemens Walther von der Leibniz Universität Hannover .

Irreführend ist auch die oft wiederholte Behauptung, dass die Erweiterung des Kernels einen aufwändigen Genehmigungsprozess und die teure Anschaffung neuer Technologie erfordern würde, die den heutigen strengeren Standards genügen müsste. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung bestätigte, dass gar keine neuen Genehmigungen nötig seien, die Atomkraftwerke weiter betrieben werden könnten. Es bleibt nur, das entsprechende Gesetz zu ändern, das die Abschaltung noch vor Jahresende anordnet.

In den letzten Tagen gab es Vorschläge, dass die Grünen ihre Zustimmung zur Verlängerung der Atomkraft in der Koalition gegen ein Zugeständnis bei einem anderen Streitthema im Zusammenhang mit Energiesparen und Klimaschutz eintauschen könnten: Tempolimits auf Autobahnen.

„Die Grünen bekämen ein Tempolimit und die Liberalen im Gegenzug eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke“, beschrieb die Zeitung Die Welt, wonach auch die Koalitionsparteien zeigen würden, dass sie mit dieser Einigung zusammenarbeiten können. Darüber hinaus können sich sogar einige Spitzenpolitiker der oppositionellen CDU die Einführung von Tempolimits auf Autobahnen vorstellen. Die FDP-Koalition, die den Vorschlag für ein Tempolimit in der Regierung blockiert, lehnte die Idee ab, über einen längeren Atombetrieb zu „verhandeln“.

Eckehard Steinmann

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