Deutschland, Indien und die Gefahren billiger russischer Energie | Welt | DW

Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck sagte in seiner Rede zum Auftakt der COP27, dass Deutschland eine besondere Verantwortung habe, zu zeigen, dass Klimaschutz möglich ist. „Gerade weil Deutschland alle Möglichkeiten hat, sind alle Augen auf Deutschland gerichtet.“ Aber ist es wirklich so? In den frühen 2000er Jahren begann Deutschland mit dem Bau großer Windparks sowohl an Land als auch auf See. Eigentümer Begeistert von der Förderung installierten sie Photovoltaikanlagen auf den Dächern ihrer Häuser.

Die deutsche Politik hat in den letzten Jahren den Ausbau erneuerbarer Energiequellen (Sonne, Wind, Biomasse) forciert. Bis zum Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar dieses Jahres wurde russisches Erdgas als Übergangsenergie auf dem Weg zur Klimaneutralität in die Strom- und Wärmeerzeugung einbezogen. Das hatte offensichtlich fatale Folgen für den Ausbau erneuerbarer Energien.

Die Produktion grüner Energie ist rückläufig

Laut einer Studie des Umweltbundesamtes ist im Jahr 2021 die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen erstmals seit 2010 zurückgegangen. Erzeugte Deutschland im Jahr 2020 251,1 Milliarden Kilowattstunden hauptsächlich aus Wind- oder Sonnenenergie, so waren es 2021 nur noch 233,6 Milliarden. Bis dahin zeigten die Charts einen stetigen Anstieg der Produktion.

Aber es gibt noch eine andere Grafik, deren Kurve im letzten Jahrzehnt ebenfalls zugenommen hat: die russischen Gasimporte, insbesondere seit der Eröffnung der Gaspipeline Nord Stream 1 im Jahr 2011. Mehr noch: 2014 genehmigte die Bundesregierung den Bau von Nord Stream 2, ironischerweise nachdem Russland die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim illegal annektiert hatte. Im Jahr 2021 machte russisches Gas 60 Prozent der deutschen Gasimporte aus.

Offshore-Windenergiefelder zwischen der deutschen Insel Riegen und der dänischen Insel Bornholm.

Der Fall Indien

Derzeit gibt es viele Länder auf der Welt, die sagen, dass sie einen Boom bei erneuerbaren Energien erleben. „Wird Indien eine grüne Supermacht?“ fragte ein britisches Magazin ein Ökonom kürzlich mit einem Bericht über den Aufstieg grüner Energie auf dem Subkontinent. Tatsächlich hat Indien laut Weltbank die „höchste Wachstumsrate bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Ressourcen“. 2020/2021 Neu-Delhi investierte 14,4 Millionen Euro in diese Ressourcen. Diese Zahl ist fast ein Zehntel der deutschen Investitionen, aber die Weltbank unterstreicht diesen Trend.

Nandikesh Sivalingam, ein indischer Umweltexperte und ehemaliger Leiter des Greenpeace-Büros in Neu-Delhi, glaubt, dass das Land den Anforderungen seiner riesigen Bevölkerung gerecht werden muss, und aus dieser Sicht unterscheidet sich das Einkaufen in Delhi nicht vom Einkaufen in Europa. Damit meint er Gas- und Ölkäufe aus Russland, denn während die EU wegen der Invasion in der Ukraine weniger von Moskau kauft, baut Indien seine Geschäfte mit den Russen aus.

Sivalingam ist derzeit Direktor des Forschungszentrums für saubere Luft und Energie mit Sitz in Finnland. In zwei Studien analysierte dieses Institut die Folgen der Abhängigkeit von russischem Öl und Gas. „Fossile Brennstoffe füllen aufgrund der hohen Preise weiterhin die Kriegskasse des Kremls“, schreiben sie in dem Bericht. In einer zweiten Studie untersucht Sivalingams Team, wie Deutschland auf russisches Gas angewiesen ist. In der Folge geriet der Ausbau der Windenergie in Deutschland ins Stocken und fiel nach 2015 unter den europäischen Durchschnitt.

Apropos Indien: Der Experte warnt vor neuen Abkommen mit Russland. Die Lektion für Neu-Delhi sollte darin bestehen, die Energieoptionen langfristig zu diversifizieren, anstatt sich weiterhin auf andere Länder zu verlassen, um den ständig steigenden Energiebedarf zu decken. Zudem muss die Energiewende in den nächsten fünf bis sechs Jahren massiv ausgebaut werden. Das heißt, Indien sollte nicht den gleichen Fehler machen wie Deutschland.

(s/c)

Amal Schneider

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