„Gaza als Ghetto“: Kontroverse in Deutschland um Masha Gessen. Arendt-Preisverleihung verschoben

Es ist wieder passiert. Eine weitere Preisverleihung wurde in Deutschland verschoben, was die Nerven weiter strapazierte und durch das Wiederaufflammen des israelisch-palästinensischen Konflikts belastete. Die russisch-amerikanische Schriftstellerin und Journalistin Masha Gessen wird den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken nicht wie geplant am Freitag im Großen Saal des Bremer Rathauses entgegennehmen. Der Preis wird am nächsten Tag in einem viel kleineren Veranstaltungsort und mit weniger Tamtam verliehen. Tatsächlich beschloss die Heinrich-Böll-Stiftung, eine den Grünen nahestehende Stiftung, nach Gessens Aufsatz vom 9. Dezember ihre Förderung zurückzuziehen New-Yorker, wo der Autor – aus einer aschkenasischen jüdischen Familie – die Situation in Gaza mit einem jüdischen Ghetto im von den Nazis besetzten Europa verglich und die derzeitige Intervention Israels in dem Gazastreifen unter dem technischen Namen „Liquidierung“ bezeichnete. „Ich schätze“, schreibt Gesen New-Yorker – Ein passenderer Begriff „Ghetto“ hätte Aufmerksamkeit erregt, indem er die Situation der belagerten Gaza-Bewohner mit der Situation der Juden im Ghetto verglichen hätte. Es würde uns auch die Sprache geben, die wir brauchen, um zu beschreiben, was derzeit in Gaza passiert. Das Ghetto wird aufgelöst. »

„Diese Aussage“, stellt die Deutsche Stiftung in einer Mitteilung klar, „ist kein Angebot für eine offene Diskussion, sie dient nicht der Verständigung“ und sei daher „inakzeptabel“. Am Mittwoch forderte die Deutsch-Israelische Gesellschaft Bremen (Dig) die Aussetzung der Auszeichnung als Hindernis für die „notwendige Entschlossenheit gegen den Aufstieg des Antisemitismus“. Seine Aussagen „stehen in scharfem Kontrast zu den Gedanken von Hannah Arendt“, fährt Dig fort. In seinem Aufsatz „Im Schatten des Holocaust„, zitiert Gessen Arendt und fügt dann hinzu: „Nur drei Jahre nach dem Holocaust verglich Arendt die Jüdische Partei Israels mit der NSDAP.“

Aus deutscher Sicht ist Gessens eigentliches „Vergehen“ die Kritik an der „Erinnerungskultur“ in Deutschland. Der Autor beleuchtet die deutsche Kodifizierung der deutschen Schuld gegenüber den Juden auf rohe und schonungslose Weise. Ein Fehler, der nach der Wiedervereinigung in den 1990er Jahren zum Kern der deutschen Stimmung wurde. Aber genau aus diesem Grund erlaubt es weder Distanzdenken noch vergleichendes Denken.

Baldric Schreiber

"Kaffeefanatiker. Professioneller Reiseliebhaber. Subtil charmanter Entdecker. Zombie-Nerd. Böser Schöpfer. Begeisterter Musikliebhaber."

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert