Deutschland: Neue Studie eröffnet Debatte über Rassismus | Deutschland | DW

Mehr als ein Fünftel (22 Prozent) der Menschen in Deutschland sind schon einmal in ihrem Leben Opfer von Rassismus geworden, so das Ergebnis der ersten Studie Nationales Diskriminierungs- und Rassismus-Monitoring (NaDiRa) des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung. (DeZIM). Die Recherche zeigt auch, was „Rassismus“ für Betroffene konkret bedeutet und was die Gesellschaft über das Thema denkt.

„Wir leben in einer rassistischen Gesellschaft“

Bevor sie in einem Vortrag in Berlin auf die Details der Forschung einging, verwies Institutsleiterin Naika Foroutan auf den aktuellen Stand der Rassismusforschung: „In Deutschland ist das empirische Wissen zu diesem Thema relativ unterentwickelt und es gibt keinen Lehrstuhl zur Aufklärung von Rassismus“.

Die repräsentative Studie, in der 5.000 Personen befragt wurden, ist daher auch für Foroutan und sein Team Neuland mit eher unerwarteten Ergebnissen: „Wir waren sehr überrascht, dass 90 Prozent der Bevölkerung sagten: Es gibt Rassismus in Deutschland“, erklärte der Forscher. . Noch schockierter waren sie aber über eine andere Aussage: „Wir leben in einer rassistischen Gesellschaft.“ Dies deutet laut Foroutan auf eine Wahrnehmung von institutionellem und strukturellem Rassismus hin.

Familienministerin Lisa Paus (Mitte) stellt Rassismusforschung unter Leitung von Naika Foroutan (links) und Frank Kalter vor.

Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, Rasse und Name

Die Studie konzentrierte sich auf sechs Gruppen: Juden, Muslime, Sinti und Roma, Menschen afrikanischer Abstammung, Asiaten und Osteuropäer. Diskriminierungserfahrungen gebe es laut der Studie vor allem bei Menschen, „die sich an Haut- und Haarfarbe sowie kulturellen Merkmalen erkennen lassen: weil sie ein Kopftuch tragen oder einen fremden Namen haben“.

Gleichzeitig gibt es Phänomene, die die Forschergruppe als „Gewichte“ bezeichnet, etwa wenn es um Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt oder bei Immobilien geht: „Wenn es Juden oder Schwarze betrifft, spricht man eher von Rassismus als wenn es Muslime oder Sinti und Roma betrifft“, sagte Foroutan. Ähnlich sei die Situation bei den Betroffenen: „Sie sind nicht weniger rassistisch“, fügt er hinzu.

Rassismus ist keine Frage von Bildung und Herkunft

Weitere allgemeine Schlussfolgerungen der Studie sind, dass diskriminierende Denk- und Handlungsweisen auf allen Bildungsstufen zu finden sind, sie nichts mit der Herkunft zu tun haben und Opfer von Rassismus auch rassistische Einstellungen haben können. Sehr oft gehe es um Hierarchien, sagt der Studienleiter. Außerdem sieht er Parallelen zu Forschungsergebnissen zum Thema Gender: „Rassismus und Sexismus spielen theoretisch auf der gleichen Ebene.“

Bundesfamilienministerin Lisa Paus erinnerte bei der Vorstellung des Berichts an die Terroranschläge auf eine Synagoge in Halle (Sachsen-Anhalt) im Jahr 2019 und eine Kneipe in Hanau (Hessen) im Jahr 2020, bei denen viele Menschen starben. „Warum hält sich Rassismus so hartnäckig? Wie kann Rassismus zuverlässig erkannt werden?“ fragte Pause.

Die meisten sind bereit, etwas gegen Rassismus zu tun

Eine schnelle und einfache Antwort hatte der Minister nicht, der dann ankündigte, dass mit dem geplanten Demokratieförderungsgesetz „Strukturen für zivilgesellschaftliches Engagement im Kampf gegen Extremismus und Rassismus dauerhafter werden“. Dabei kann Paus auf viel Unterstützung aus der deutschen Öffentlichkeit zählen. Laut der Studie sind 70 Prozent bereit, Rassismus auf verschiedene Weise zu bekämpfen. Gleichzeitig empfindet ein Drittel der Befragten die Opfer von Rassismus eher als „zu sensibel“ und fast die Hälfte glaubt, sie hätten „zu viel Angst“.

Die Nationale Diskriminierungs- und Rassismus-Monitoring-Studie dient als Grundlage für weitere Forschungsarbeiten. Sie plant, Diskriminierung und Rassismus in Deutschland kontinuierlich zu beobachten. Politiker, Wissenschaftler und die Zivilgesellschaft erhoffen sich davon aussagekräftige Einblicke in die Ursachen, das Ausmaß und die Folgen von Rassismus. Denn, wie Minister Paus resümiert: „Rassismus ist überall, er ist unter uns.“

(ct/er)

Amal Schneider

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