Mehr als 20 Stunden hat die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP über ein neues Hilfspaket für Bundesbürger verhandelt. Es ist mit 65.000 Millionen Euro dotiert. „Ich freue mich sehr über das Ergebnis“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz, „all diese und viele weitere Maßnahmen werden uns ermöglichen, den Winter gemeinsam zu meistern.“
Eckpunkte des Hilfspakets
Strom- und Gaspreise
Private Haushalte sowie kleine und mittelständische Unternehmen können eine bestimmte Menge Strom vergünstigt beziehen. Alles, was über den Grundverbrauch hinausgeht, muss zu Marktpreisen eingekauft werden. Das würde die Verbraucher finanziell entlasten und gleichzeitig ein Anreiz zum Stromsparen sein.
Um den Grundverbrauch zu subventionieren, müssen Energiekonzerne auf einen Teil ihrer Gewinne verzichten. Stromproduzenten erhalten derzeit einen sehr hohen Marktpreis für ihren günstig produzierten Strom. Denn der Preis der Leistung wird in der Europäischen Union vom teuersten Kraftwerk bestimmt. Derzeit handelt es sich um Gaskraftwerke. Und dieser Faktor schafft für viele Energieunternehmen erhebliche zusätzliche Einnahmen.
Zuschuss zu den Energiekosten
Die so genannte „Flatrate“-Zahlung für Energiepreiserhöhungen in Höhe von 300 Euro wird im September allen Arbeitnehmern sowie Rentnern zugestellt. Studierende der Hochschulen und technischen Berufe erhalten 200 Euro. Das Geld wird am 1. Dezember 2022 ausgezahlt.
Höhere Subventionen für den Erwerb von Wohnraum
Mehr Menschen erhalten Hilfe bei der Zahlung der Miete, die die Bundesregierung bereits für Geringverdiener bezuschusst. Der Kreis der Begünstigten wird von derzeit 640.000 Personen auf zwei Millionen erweitert. Ab September und Dezember 2022 erhält die geförderte Person einen zweiten Betrag von 415 Euro für die Beheizung der eigenen Wohnung. 540 Euro für einen Zwei-Personen-Haushalt, zusätzlich 100 Euro für jede weitere dort lebende Person. Diese Förderung wird dann vollständig in den Mietzuschuss integriert.
Geld der Bürger
Die Sozialhilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts für Arbeitslose und Arbeitssuchende (Hartz IV) wird ab dem 1. Januar 2023 um 50 Euro höher sein und heißt Bürgergeld. Bei der Berechnung werden Inflationsprognosen berücksichtigt. Damit steigt der derzeitige Hartz-IV-Regelsatz für Alleinstehende von 449 Euro auf rund 500 Euro.
Bundeskanzler Olaf Scholz (Mitte). Rechts von ihm Christian Lindner, Finanzminister der Liberaldemokraten. Links von ihm der Ko-Vorsitzende der Grünen, Omid Nuripurs, und ganz rechts die Ko-Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Saskia Eskena.
Kindergeld
Der Kinderfreibetrag für das erste und zweite Kind erhöht sich zum 1. Januar 2023 um 18 Euro monatlich auf 237 Euro monatlich.
Nachfolger des 9-€-Tickets
Die Koalition setzt sich für ein bundesweites Ticket im öffentlichen Nahverkehr ein. Dafür will er 1,5 Milliarden Euro bereitstellen, wenn sich die Bundesländer in gleicher Höhe beteiligen. Der monatliche Preis soll zwischen 49 und 69 Euro liegen.
Vermeiden Sie höhere Steuersätze
Die deutsche Einkommensteuer funktioniert nach einem progressiven Modell: Wer mehr verdient, zahlt einen höheren Anteil seines Gehalts an Steuern. Die Progressionsstufen müssen nun angepasst werden, damit die Inflation nicht zu höheren Steuersätzen führt. Davon sollen rund 48 Millionen Steuerzahler profitieren.
Steuerfreie Zuschüsse von Arbeitgebern
Wollen Arbeitgeber ihre Mitarbeiter aufgrund hoher Energiepreise finanziell unterstützen, müssen diese Zahlungen bis zu 3.000 Euro steuer- und abgabenfrei bleiben.
CO2-Steuer
Die Erhöhung des CO2-Preises für fossile Brennstoffe, die am 1. Januar in Kraft treten sollte, wurde um ein Jahr auf den 1. Januar 2024 verschoben. Geplante Aktionen nach diesem Datum werden ebenfalls um ein Jahr verschoben. Für den Schienenverkehr sind zusätzlich 1,5 Milliarden Euro vorgesehen, um die CO2-Einsparung zu erhöhen.
Finanzierung
Bundesfinanzminister Christian Lindner betonte, dass das Maßnahmenpaket 65 Milliarden Euro umfasst, der Bund aber nur 32 Milliarden Euro zahlen muss. Die Differenz muss aus den Gewinnen der Energieunternehmen kommen und in den Bundesländern investiert werden. Die 2022 fälligen Neuschulden von 138,9 Milliarden Euro werden nicht erhöht, auch im Bundeshaushalt will Lindner die Schuldenbremse halten. Die erwähnte Bremse wird ab 2023 wieder aktiviert.
Reaktionen
Die Partei La Izquierda wird einen „heißen Herbst gegen die soziale Kälte“ veranstalten, weil sie sagt, dass diese Hilfsmittel nicht ausreichen. Auch die rechtsextreme Partei AfD hat für den Herbst zu Protesten aufgerufen. Der Präsident des Arbeitgeberverbandes, Rainer Dulger, sagte, dass eine der Hauptursachen der Inflation – die Energiepolitik – nicht konsequent angegangen werde. „Der Ausbau des Sozialstaats kann nicht die Antwort auf steigende Energiepreise auf dem Weltmarkt sein.“
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fracher, kritisiert die Verschiebung von CO2-Preisanpassungen. Dies sei ein „katastrophales Signal für den Klimaschutz“, betonte er.
(Stk/er)
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