Deutschland hat im Rahmen seiner ÖPNV-Initiative eines der größten Experimente am Laufen. Als Teil der Bemühungen der Bundesregierung, dem Druck auf die Lebenshaltungskosten und den hohen Kraftstoffpreisen entgegenzuwirken, führte der Gesetzgeber im Juni, Juli und August dieses Jahres einen stark ermäßigten Nationalpass ein.
Von Stefan Carsten*
Der Pass ermöglicht die Fahrt mit Bussen, Straßenbahnen, U-Bahnen, Stadt-, Regional- und Regionalexpresszügen, schließt jedoch Hochgeschwindigkeitszüge wie ICE (InterCity Express) sowie private Betreiber aus.
Der Pass ist in erster Linie als Versuch zu verstehen, den wirtschaftlichen Druck durch hohe Energiepreise zu verringern. Weitere kürzlich in verschiedenen Regionen der Welt ergriffene Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten des öffentlichen Verkehrs umfassen Preissenkungen in Neuseeland – die öffentlichen Verkehrsmittel in der Provinz Aotearoa fahren vom 1. April bis 31. August zum halben Preis – und den österreichischen Klimapass berechtigt für 1.095 € ein Jahr lang zu allen öffentlichen Verkehrsmitteln in Österreich. Diese auf den öffentlichen Verkehr ausgerichteten Ansätze (obwohl in diesen Ländern häufig von einer Senkung der Kraftstoffsteuern begleitet) stehen im Gegensatz zu den jüngsten Maßnahmen in Schweden, die – was den Verkehr betrifft – nur den Autofahrern zugute kommen.
Eine Untersuchung der 9-Euro-Monatskarte in Deutschland in den ersten Wochen nach ihrer Einführung zeigt einige interessante Erkenntnisse:
Mehr als 30 Millionen Deutsche ab 18 Jahren haben den 9-Euro-Pass. Auch der öffentliche Bekanntheitsgrad ist hoch, 97 % der Befragten kennen das Angebot. Darüber hinaus ergab die Umfrage, dass rund ein Viertel der Nutzer der 9-Euro-Karte Personen sind, die vor Juni 2022 die öffentlichen Verkehrsmittel gar nicht oder nur sporadisch genutzt haben. 66 % der Nutzer gaben außerdem an, dass sie die 9-Euro-Karte sind der Grund, warum sie häufiger als früher öffentliche Verkehrsmittel nutzen.
Neun von zehn Nutzern nutzten den Pass in den ersten Tagen der Gültigkeitsdauer. Knapp zwei Drittel der Nutzungen beziehen sich auf lokale Fahrten in der Nähe des Wohnortes und 30 % gehen über die Ortsgrenzen hinaus, jedoch in einem Umkreis von weniger als 100 km. Fahrten von mehr als 100 km machen weniger als 10 % der Gesamtzahl aus.
Die Benutzer wurden auch gefragt, welches Verkehrsmittel sie wählen würden, wenn es kein 9-Euro-Abonnement gäbe. 47 % der Fahrten wären mit Bahn oder Bus erfolgt, 44 % hätten ein anderes Verkehrsmittel gewählt, die Hälfte davon das Auto. Weniger als 10 % der Fahrten sind induzierter Verkehr, d. h. Fahrten, die ohne die 9-Euro-Zahlung nicht durchgeführt worden wären. Der Umstieg vom Auto auf andere Verkehrsmittel ist bei längeren Distanzen, zu Zielen, die mehr als 100 km vom Wohnort entfernt sind, stärker ausgeprägt.
Eine von TomTom, einem Spezialisten für Verkehrsdaten, durchgeführte Analyse zeigt in 23 der 26 untersuchten Städte einen Rückgang des Stauniveaus im Vergleich zum Zeitraum vor der Einführung des 9-Euro-Abonnements, und die Daten deuten darauf hin, dass dieser Rückgang der Fall ist im Zusammenhang mit dieser Einführung. In fast allen untersuchten Städten verbrachten die Menschen im Juni weniger Zeit mit dem Arbeitsweg als im Mai.
Konkret verglichen die Experten die Staus in der 20. und 25. Woche im Berufsverkehr. Die Zeiträume wurden so gewählt, dass die Auswirkungen von Feiertagen und Feiertagen vermieden werden. Das Ergebnis ist eindeutig: In den ersten Tagen nach Einführung des 9-Euro-Abo zeigen die Daten praktisch keine Auswirkungen auf den Autoverkehr, im Laufe der Zeit ist jedoch ein positiver Effekt auf den Verkehrsfluss fast aller deutschen Städte zu verzeichnen.
Trotz zeitweiliger Überfüllung der Fahrzeuge ist die Zufriedenheit hoch. Bei Fahrten über 100 km ist jeder zweite Fahrgast mit dem Platzangebot unzufrieden. Allerdings tritt dies nur bei einem Nutzersegment auf, das weniger als 10 % der Gesamtfahrten mit dem 9-€-Abo ausmacht. Folglich sind weniger als 10 % der Nutzer mit ihrer letzten Fahrt mit dem Pass unzufrieden, während mehr als 60 % zufrieden oder sehr zufrieden sind. 48 % der Nutzer gaben an, dass sie überfüllte Busse und Züge akzeptieren, wenn sie mit dem Pass reisen. 55 % würden den Pass weiterhin abonnieren, auch wenn er mehr als 9 Euro kosten würde (im Vergleich zu 17 %, die das Gegenteil sagen).
Schlussfolgerungen
Die Hinweise dieser Vorstudie deuten darauf hin, dass das Hauptziel des 9-Euro-Abo, die Entlastung derjenigen, die bereits öffentliche Verkehrsmittel nutzen, bei den Lebenshaltungskosten greift. Im Vergleich zu Initiativen zur Senkung der Mineralölsteuer, die das gleiche Ziel haben, sich aber an Autofahrer richten, weist das 9-Euro-Abo ein deutlich höheres Kosten-Nutzen-Verhältnis auf, da es im Wesentlichen auf Bestehendem aufbaut.
Die Förderung des modalen Übergangs vom Auto zum öffentlichen Verkehr ist das ultimative Ziel nachhaltiger Mobilität und das am schwierigsten zu erreichende. Beeindruckend also, dass laut Studie rund ein Viertel der Fahrten mit der 9-Euro-Karte Autofahrten ersetzen. Nur sehr wenige Maßnahmen haben in so kurzer Zeit eine so große Verkehrsverlagerung erreicht.
In Bezug auf die Wirksamkeit des 9-Euro-Passes scheint es eine sofortige Wirkung mit hoher öffentlicher Aufmerksamkeit und hohen Nutzungsraten in der ersten Woche zu geben. Dies ist positiv für das Ziel, die Lebenshaltungskosten der Nutzer zu senken. Aber es gibt bereits politische Organisatoren, die den Pass über die geplanten drei Monate hinaus verlängern wollen, für eine dauerhafte Jahreskarte von 365 Euro (wie in Wien), die über die restriktiveren Lebenshaltungskosten hinausgeht, um die mehr zu unterstützen Bewegung, die sich für einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr einsetzt.
Die 9-Euro-Karte ist von der Bundesregierung mit 2,5 Milliarden Euro (für die drei Monate) in Form von Erstattungen an die Bundesländer als Ausgleich für entgangene Einnahmen ihrer Verkehrsunternehmen budgetiert, was im Vergleich zu den enormen Subventionen gering ist an die „Automobilgesellschaft“ übergeben.
Hinsichtlich der Relevanz für Mobility as a Service (MaaS – Mobility as a Service) muss der 9-Euro-Pass landesweit über eine Reihe regionaler Betreiber und verschiedene Verkehrsträger funktionieren. Wenn das System verlängert wird, ist es sinnvoll, dass es den Druck erhöhen würde, ein integriertes System auf nationaler Ebene zu schaffen, was sogar den Interessen der verschiedenen regionalen öffentlichen Verkehrsbehörden zuwiderlaufen könnte, da es ihnen ermöglichen würde, Benutzer in ihren Netzen zu verfolgen . . . und Erstattungen vom Bund verlangen. Integrierte und einfach zu handhabende Ausweise zwischen verschiedenen Behörden sind eine Grundvoraussetzung für die meisten MaaS-Programme. Allerdings müssen wir noch abwarten, wie bald die 9-Euro-Karte verfügbar sein wird und welche langfristigen Änderungen sie für das Ticketing und die Preisgestaltung im öffentlichen Nahverkehr mit sich bringen wird.
* Berater und Spezialist in den Bereichen Zukunft der Städte und Mobilität. Er ist einer der Verantwortlichen, die den Wandel der Automobilindustrie von einem fahrzeugzentrierten Sektor zu einem mobilitätszentrierten Sektor initiiert haben. Er lebt und arbeitet derzeit in Berlin. Artikel ursprünglich veröffentlicht in Green Future-Auto Magazin.
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