In Deutschland ist die Zahl der Rechtsextremisten in Sicherheitsorganisationen „erschreckend“ | Deutschland | DW

Franko A., KSK, NSU 2.0: Hinter jedem Namen und Akronym verbirgt sich ein mutmaßlicher Rechtsextremer oder gar eine ganze Gruppe mutmaßlicher Staatsfeinde. Menschen, die Fotos von Adolf Hitler in Chatgruppen teilen, Waffen horten oder planen, die Regierung in Deutschland zu stürzen. Einige werden von der Bundeswehr, der Polizei, Geheimdiensten, dem Zoll bezahlt: Sie arbeiten für Sicherheitsbehörden, die für den Schutz der Bürger in Deutschland zuständig sind.

327 „Feinde“ der Verfassung in drei Jahren

Wenn die Integrität von innen untergraben werde, „ist das besonders gefährlich für Rechtsstaat und Demokratie“, sagt Bundesinnenministerin Nancy Fesser. Gemeinsam mit Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), präsentierte er einen Bericht über die aktuelle Situation von Rechtsextremisten, selbsternannten „Reichsbürgern“. „Selbstverwaltung“ in den Reihen der Berliner Sicherheitsbehörden.

Die Bilanz umfasst alle zwischen Juli 2018 und Juni 2021 registrierten Fälle, in denen Beamte Anlass zu Zweifeln an ihrer Verfassungstreue gegeben haben. 533 der 860 Personen aus den Strafverfolgungsbehörden auf Bundes- und Landesebene, gegen die ermittelt wurde, wurden freigesprochen. Es bleiben 327 Verdachts- und nachgewiesene Fälle, die „echte Bemühungen gegen die demokratische und freiheitliche Ordnung“ zeigen.

Einige haben Zugang zu Waffen

Thomas Haldenwang fasst das Ergebnis in einem Wort zusammen: „verstörend“. Er versichert, jeder Verfassungsfeind sei „auch ein Schlag ins Gesicht aller Mitarbeiter, die das Grundgesetz achten“. Tatsächlich hat das Image der Sicherheitsbehörden in den letzten Jahren stark gelitten. Innenministerin Nancy Feser weist auf das große Gefahrenpotential hin: „Sie haben Zugang zu sensiblen Daten, sie verfügen über besonderes Fachwissen und teilweise auch über Waffen.“

Die sozialdemokratische Politik hält die Einzelkämpfer-These für überholt: „Sie sind in Netzwerken organisiert.“ Zwar nicht innerhalb von Institutionen, „aber in einem privaten Umfeld“. Kontakte werden Berichten zufolge in den unterschiedlichsten Medien geknüpft: Demonstrationen, Kampfsportveranstaltungen und Konzerte oder Gesprächskreise.

Nancy Fesser, Bundesministerin des Innern und Thomas Haldenwan, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

Von überregionalen Netzwerken ist (noch) nichts zu sehen

Basierend auf den obigen Ergebnissen handelt es sich hauptsächlich um ein regionales Phänomen. „Wir haben keinen einzigen Fall entdecken können, in dem Agenten aus Frankfurt in irgendeiner Form mit Agenten aus Berlin oder München kommuniziert haben und gemeinsame Ziele verfolgen“, sagt Thomas Haldenwan. Allerdings „würde ich das nie ausschließen“, betont der BfV-Präsident.

Die meisten der in den Netzwerken registrierten Verdachtsfälle beziehen sich auf Rechtsextremismus mit Gewaltorientierung: 53,6 %. „Reichsbürger“ und „Inländer mit eigener Verwaltung“, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnen, machen gut 7 % aus. Und etwas weniger als drei Prozent hatten bewusst Kontakt mit der sogenannten Neuen Rechten.

Kontakte zur rechtsextremen Partei AfD

Ein Aushängeschild dieser intellektuellen Szene ist der Verlag Goec Kubitschek. Er wiederum hat Verbindungen zur rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland (AfD). Die Partei ist im Bundestag und in 15 der 16 Landtage vertreten. Zu seinen Stellvertretern gehören Beamte. Ob im Schuldienst, der Justiz oder den Sicherheitsbehörden: Die Sensibilität gegenüber Rechtsextremisten und anderen verfassungsfeindlichen Personen hat nach Einschätzung von Thomas Haldenwang deutlich zugenommen.

Bisher haben einige wegen der Vorwürfe ihren Job verloren. Etwa 500 Arbeits- und Disziplinarfälle wurden analysiert, aber nur 60 der Opfer wurden entlassen oder sind nicht im Beamtenverhältnis. Um die Verfassungsfeinde künftig schneller aus dem Weg zu räumen, will Innenministerin Nancy Feser bald einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesdisziplinargesetzes einbringen, den sie für „ungenügend“ hält. Verfahren erstrecken sich in der Regel über mehrere Jahre.

(jov/cp)

Amal Schneider

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