Wer den deutschen Wahlkampf mit leidenschaftlichen Debatten, Temperament und prägnanten politischen Argumenten verbindet, wird von der aktuellen Situation sehr enttäuscht sein. Denn statt eines leidenschaftlichen Kampfes um die besten Argumente sehen die Wähler in diesem Jahr den Wettbewerb, wer sich zum ersten Mal verpflichtet.
Erst nachdem Annalena Baerbock grüne Kanzlerkandidatin wurde, musste sie ihren Lebenslauf mehrmals korrigieren: dem Bundestag ihr zusätzliches, bisher nicht bekannt gegebenes Einkommen mitteilen, und dann wurde sie beim Plagiieren in ihrem neuen Buch erwischt. Die Glaubwürdigkeit des Kandidaten, der zuvor als Hoffnung der Partei gefeiert wurde, wurde untergraben und die Unterstützung für Baerbock in den Umfragen ist eingebrochen.
Hoffnung im Schlaflied
Der neue Wahlclip der Grünen sollte den Umfragerückgang stoppen. Das Ergebnis war jedoch einer der peinlichsten Wahlwerbespots der letzten Jahre, in dem die Grünen ein altes Volkslied passend zu ihrer Show umarbeiteten.
In den sozialen Medien gab es heftige Kritik. In Kinderliedern tauchen sexistische und rassistische Parolen auf: So lautet der Vorwurf gegen eine Partei, die sich tendenziell als progressiv vermarktet. Die einzigen dunkelhäutigen Menschen im Film sind die Sportler und der Handwerker. Und in der Startaufstellung steht natürlich natürlich ein Mann. Das einzige, was die Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock und ihr Co-Vorsitzender Robert Habeck in diesem Video richtig machen, ist, dass sie es nicht selbst singen.
Vom Kanzlerkandidaten zum Clown
Dazu kommt der Kanzlerkandidat der Christdemokraten (CDU/CSU), Armin Laschet, der lange Zeit die Umfragen anführte und von vielen als der nächste Kanzler galt. Das ist ein unwahrscheinlicher Anblick. Am katastrophalsten war sein Lachen bei seinem Besuch in den Flutgebieten, als der Bundespräsident mit den Opfern der Katastrophe sprach.
Die CDU hat auch ein peinliches Video gedreht. Darin ist Laschet im Bergmannskostüm in einem Bergwerk dargestellt. Aber nur er hat Kohlenstaub im Gesicht. Hast du es verschmiert, damit es authentischer aussieht? Oder haben Sie vielleicht einfach nur schlechte PR-Berater? Fest steht: Laschet wirkt nicht echt oder ernst, sondern einfach nur peinlich.
Vergessenes Geschäft
Der Kandidat der Sozialdemokraten, Olaf Scholz, ist wiederum ausnahmslos ohne Skandale durch den Wahlkampf gegangen. Ein paar Fragen zu seiner Rolle im Wirecard-Skandal, Deutschlands größtem Finanzskandal, und dem gigantischen Cum-Ex-Steuerbetrug. Kein Skandal schadet Ihrem Ruf.
Auch sonst hat der eher ruhige und uncharismatische Scholz bisher keine Fehler gemacht. Fast die Hälfte der Deutschen wünscht sich Scholz als Kanzler, und er verhilft seiner SPD zu immer höheren Einschaltquoten, woran bis vor kurzem noch niemand gedacht hätte. Im Vergleich zu den Peinlichkeiten von Laschet und Baerbock erscheint Scholz als Staatsmann. Aber was sagt das über einen Wahlkampf aus, wenn es schon von Vorteil ist, nicht peinlich zu sein, um die Initiative zu ergreifen?
Historischer Moment
Haben Baerbock und Laschet schlechte Berater? Gehen sie ihnen auf die Nerven? Im Wahlkampf glänzt jedenfalls Olaf Scholz, dem im Kanzlerrennen vor sechs Monaten keine Chance gegeben wurde. Dank der entscheidenden Charaktereigenschaft: Lassen Sie sich von nichts und niemandem stören und erklären Sie nicht zu viel. Nicht auffallen oder ungeduldig werden, das scheint ihr Motto zu sein.
Fest steht jedoch: Alle drei Kandidaten, Laschet, Baerbock und Scholz, werden von einer großen, wenn nicht historischen Chance vertan. Nie zuvor hatten drei verschiedene Parteien die echte Chance, gleichzeitig ihren Kanzler zu nominieren. Eine emotionale Debatte mit starken und inhaltlichen Auseinandersetzungen war zu erwarten. Stattdessen gebe es „große Fehler“. Oder bei Scholz Unaufmerksamkeit und Langeweile.
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