Als das produzierende Unternehmen Northvolt vor einiger Zeit in Deutschland nach einem idealen Standort suchte, um seine erste Batterieproduktionsanlage außerhalb Schwedens zu errichten, fiel die Wahl nicht auf den süddeutschen Industriestandort. Er traf eine visionäre Entscheidung für die Nordseeküste, wo vor wenigen Monaten eine neue Welle von Windkraftanlagen im großen Stil durchzustarten begann.
„Die Batterieproduktion verbraucht viel Energie“, sagte Jesper Wigardt, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit bei Northvolt, gegenüber Reuters.
Das Unternehmen Northvolt kündigte diesen Schritt Mitte März dieses Jahres an, also zu einem Zeitpunkt, als sich die europäische Energiekrise bereits in ihrer Gesamtheit zu verschärfen begann. Der Westen begann, die Sanktionen gegen Moskau drastisch zu verschärfen, Russlands Gaslieferungen gingen allmählich zurück. Anfang September hörten sie komplett auf.
Jetzt versucht Deutschland, sich vollständig von der russischen Erdgasversorgung abzukoppeln, und die Nordseeküste kann dabei eine sehr wichtige Rolle spielen. Es bietet Platz für die Produktion von sauberer Energie aus erneuerbaren Quellen und kann gleichzeitig als Transportraum für den Import von verflüssigtem Erdgas zu verschiedenen Terminals dienen. In den kommenden Monaten werden dort insgesamt zwei Floats in Betrieb genommen, die vorübergehend ihren Dienst tun werden, bis es den Deutschen gelingt, dauerhafte Terminals zu bauen.
Norddeutsche Bundesländer wie Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern produzieren bereits rund die Hälfte der insgesamt 64 Gigawatt Windkraft in Deutschland. Künftig wird ihre Bedeutung weiter zunehmen, denn Deutschland will die Offshore-Windkraftproduktion von derzeit 7,7 GW auf 70 GW bis 2040 ausbauen.
In Deutschland verlagern sich aufgrund der Energiekrise Schlüsselindustrien für die heimische Wirtschaft langsam vom traditionellen Süden in den Norden. Für die deutsche Wirtschaft ist die südliche Region jedoch schon seit vielen Jahren von großer Bedeutung, seit den 1950er Jahren haben noch heute Giganten wie Siemens, BMW oder auch Mercedes dort ihren Hauptsitz.
Aber der Norden gewinnt langsam an Stärke. „Es gibt einen riesigen und gleichzeitig relativ ruhigen Machtkampf zwischen Nord- und Süddeutschland“, sagte der Ministerpräsident eines der deutschen Bundesländer, der nicht namentlich genannt werden wollte, gegenüber Reuters.
Neben dem Batteriehersteller Northvolt beginnen sich langsam weitere große Unternehmen im Norden Deutschlands zu konzentrieren. Darunter ist zum Beispiel das belgische Unternehmen Tree Energy Solutions, das dort eine Wasserstoff-Produktionsanlage bauen will.
Volkswagen baut in Niedersachsen eine neue Batteriefabrik für Elektroautos. Tesla hat kürzlich seine neue Fabrik im nördlichen Bundesland Brandenburg eröffnet.
„Nach mehreren Jahrzehnten südlicher Dominanz beginnt nun der Norden abzuheben“, sagte IW-Forscher Hanno Kempermann gegenüber Reuters.
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