Der Bundestag hört auf, XXL zu sein, nach der Ernährungsreform verliert er an hundert Abgeordneten

400 anwesende Abgeordnete hoben ihre Hand für die Reform, 261 waren dagegen und 23 enthielten sich der Stimme. Der konservative CDU/CSU-Oppositionsführer Friedrich Merz versuchte in letzter Minute, die Abstimmung um zwei Wochen zu verschieben, doch die Regierungsparteien lehnten den Vorschlag ab.

Bei der deutschen Bundestagswahl wird in 299 Wahlkreisen abgestimmt, wobei jeder Wähler mit einer Stimme einen bestimmten Kandidaten für eine direkte Amtszeit wählt und mit der anderen Partei die eine Partei unterstützt. Im Idealfall hätte der Landtag 598 Abgeordnete, also zwei aus jedem Bezirk. Aufgrund der Kombination von Mehrheits- und Verhältniswahlrecht ist dies jedoch nicht der Fall, und auf die Wahl folgt eine aufwändige Neuauszählung der Stimmen. Deutsche Wähler unterstützen häufig den Kandidaten der großen Parteien bei einer Direktwahl und stimmen zum Ausgleich bei einer Verhältniswahl für eine der kleineren Parteien.

Daher werden einige Parteien mehr Direktmandate gewinnen, als ihnen aufgrund des Frauenstimmenanteils der Partei zustünden. Dadurch entsteht das sogenannte schwebende Mandat, das die Zahl der Abgeordneten im Landtag im Vergleich zum Basiszustand erhöht. Seit 2013 gleichen Ausgleichsmandate die Ungleichheit durch Überlaufmandate aus, so dass die durch den zweiten Wahlgang erfolgreicheren Parteien nicht benachteiligt werden und das Stimmenverhältnis im Landtag erhalten bleibt. Dadurch erhöht sich die Zahl der Abgeordneten.

Reformbemühungen waren bisher erfolglos, da sie im Parlament keine Unterstützung fanden. Doch nun haben die Sozialdemokraten (SPD) von Olaf Scholz gemeinsam mit der Koalition aus Grünen und Liberaldemokraten (FDP) auf eine Novelle gedrängt, die die ausstehenden und ausgleichenden Mandate aufhebt. Die Zweitstimme ist ausschlaggebend, was dazu führt, dass der im Direktmandat gewählte Abgeordnete keinen bestimmten Sitz erhält.

Die Reform soll die Demokratie stärken

Der Abstimmung am Freitag ging eine für deutsche Verhältnisse sehr intensive Debatte voraus. In einer Rede vor den Aufschreien der Opposition betonte die sozialdemokratische Abgeordnete Atja Mastová, dass die Änderung des Wahlgesetzes die Demokratie stärken werde und dass die Wähler, deren Vertreter der Gesetzgeber die Ehre habe, seit Jahrzehnten auf eine Strukturreform zur Kürzung der Wahlrechte gewartet hätten Größe des Parlaments. „Und genau das machen wir heute“, sagte er.

Die Reform wurde von Alexander Dobrindt, dem Leiter der Landesvertretung der Bayerischen Christlich-Sozialen Union (CSU), einer Schwesterpartei der Christlich-Demokratischen Union (CDU), im Bundestag scharf kritisiert. „Die Partei kann zwar in allen Wahlkreisen des Bundeslandes gewinnen, in Bayern wären es beispielsweise 49, aber laut ihrem Wahlgesetzentwurf besteht die Möglichkeit, dass es nicht einmal einer ihrer Kandidaten in den Bundestag schafft.“ „Das nennst du fair und demokratisch? Naja, ich nicht“, sagte Dobrindt.

Die Linke applaudierte der CSU

Laut Dobrindt wolle die Regierung mit der Reform nicht den Bundestag verkleinern, sondern die Opposition. „Man macht Reformen nicht, um Reformen zu machen, man macht sie für sich selbst“, sagte er. Dafür erhielt er tosenden Applaus von der postkommunistischen Linken. Bei der Bundestagswahl im September 2021 verfehlte er zwar die erforderliche Fünf-Prozent-Hürde, zog aber dank Direktmandaten dennoch in den Bundestag ein. Der Beifall der Linken für die CSU sorgte in den Medien für Fassungslosigkeit, denn die Konservativen halten die Partei für weit links.

„Die Wahlrechtsreform hat es möglich gemacht“, kommentierte der bayerische TV-Reporter BR Björn Dake auf Twitter die Tatsache, dass CSU und Linke auf der gleichen Seite der Barrikade stünden. Die Reform benachteiligt sowohl die CSU als auch die Linke, weshalb beide Parteien planen, die Änderungen vor Gericht anzufechten.

Der Linke Jan Korte verglich die Reform mit dem Vorgehen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, der oft für seine Bemühungen, die Opposition zum Schweigen zu bringen, kritisiert wird. „Es ist ein Angriff auf die Demokratie“, fügte er hinzu.

Eckehard Steinmann

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