Deutschland-Ukraine. Warum betreibt Berlin eine Ausweichpolitik? Hier sind die Gründe



Die Bundesregierung lehnt Waffenlieferungen an die Ukraine ab


© Piotr Molecki Ostnachrichten
Die Bundesregierung lehnt Waffenlieferungen an die Ukraine ab


Die Position der Bundesregierung im Ukraine-Russland-Konflikt enttäuscht zunehmend in Polen, aber auch in der Welt. – Definitiv tut Berlin zu wenig gegen die Ukraine und hat sich niemandes Vertrauen verdient. Ich spreche nicht nur von Polen, sondern auch von den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich, sagt German Trakik, ein deutscher Politikexperte, in Wirtualna Polska.

Die Russland-Ukraine-Krise nimmt seit Jahrzehnten Fahrt auf. In letzter Zeit sind alle Augen auf Berlin gerichtet, das, wie sich herausstellt, nicht die Absicht hat, der Ukraine zu helfen oder Waffen zu liefern. Diese Option wurde sowohl von Bundeskanzler Olaf Scholz als auch von Außenministerin Annalen Berbock abgelehnt.

Bisher hat Berlin nur 5.000 Militärhelme zugesagt. Kiew verhehlt daraufhin seine Enttäuschung nicht und nennt die deutschen Versprechungen „nur eine symbolische Geste“. Botschafter in Berlin Andris Melnik sagte, es sei ein „Tropfen auf den heißen Stein“. Und in groberen Worten wurde die Berliner Initiative von Vitaly Klichko beschrieben, der die Idee als „absoluten Witz“ bezeichnete..

Auch Ministerpräsident Mateusz Moraveckis verwies auf den Fall. „Ich mache mir Sorgen über die Lage in der Ukraine und die Reaktion unserer Nachbarn aus Deutschland auf die Bedrohung durch Russland“, schreibt er auf Facebook.

– Natürlich tut Berlin zu wenig in Richtung Ukraine. Enttäuschung herrscht nicht nur in Warschau und Kiew, sondern auch in anderen westlichen Hauptstädten. Er ist auch ein großer Professor in der deutschen Presse und öffentlichen Meinung sowie unter deutschen Experten – sagt Virtualna Polska, Adam Trachik, Experte für Außenpolitik und polnisch-deutsche Beziehungen sowie Politikwissenschaftler, öffentlicher Aktivist und Co -Gründer. und Präsident des Think Tanks Global.Lab.

Ihrer Meinung nach gibt es viele Gründe für dieses Vorgehen der Bundesregierung. – Meiner Meinung nach liegt dies an falsch verstandener historischer Verantwortung, intellektueller Faulheit, dem Zusammenbruch des strategischen Denkens, Komfort – weil es bequem ist, sich hinter den Vereinigten Staaten zu verstecken, eine Weile zu spielen und den Wunsch, Geschäftsbeziehungen mit Russland aufrechtzuerhalten. , insbesondere die Bedeutung des russischen Gases für die deutsche Wirtschaft – räumt Adam Trachik ein.

Der Chef des Auswärtigen Amtes hat am Donnerstag bei einer Bundestagsrede die Entscheidung der Bundesregierung verteidigt, keine Waffen an die Ukraine zu liefern. Sie erklärte auch, dass Deutschland im Falle einer neuen russischen Aggression eine breite Palette von Antworten zur Verfügung habe, einschließlich Nord Stream 2.

Wichtig im Kontext der aktuellen Haltung der Bundesregierung ist laut Adam Trachik die gesellschaftliche Stimmung der Deutschen. – Die meisten von ihnen sind gegen die Lieferung deutscher Waffen an die Ukraine. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov sprachen sich 59 Prozent der Befragten für die Regierung aus. Nur 20 Prozent seien für Waffenlieferungen gewesen, sagt Trachik.

Nord Stream 2? Die Deutschen wollen den Bau beenden

– Ich bin sicher, dass Deutschland am Ende die richtige Entscheidung treffen wird. Wenn ein Krieg ausbricht, wird Berlin zugunsten des Westens reagieren. Und eine Erklärung, die Nord Stream 2 blockiert, wird in die Sanktionen gegen Russland aufgenommen. Der aktuelle Kurs der Bundesregierung ist eine Fortsetzung der Politik von Angela Merkel. Es ist seit langem bekannt, dass die Deutschen nur ungern Waffen schicken, insbesondere in nahe gelegene Konfliktgebiete. Wenn wir die Waffen weiterschicken müssen, hat Berlin damit kein Problem. Im Zusammenhang mit dem Jemenkrieg wurden Waffen nach Saudi-Arabien geliefert. Der Versand sei unter dem Druck der öffentlichen Meinung eingestellt worden, sagt ein WP-Experte.

Im Fall der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 ist Deutschland laut der oben genannten Umfrage eher für deren Inbetriebnahme. 47 Prozent befürworten die Pipeline von Russland nach Deutschland, während 33 Prozent dagegen sind. Fast jeder fünfte Deutsche (19 %) hat dazu keine Meinung.

– Deutschland führt zumindest offiziell keinen Dialog mit Russland auf höchster Ebene. Bundeskanzler Scholz hat seit seinem Amtsantritt nur einmal mit Wladimir Putin gesprochen. 8. Dezember, das ist vor fünfzig Tagen. Und Angela Merkel hat, wie Sie wissen, den russischen Staatschef regelmäßig angerufen. Einschließlich der jüngsten Krise an der polnisch-belarussischen Grenze. Unter den Wählern, die gegen den Bau der Pipeline gestimmt haben, ist eine große Gruppe der Grünen, aber auch SPD-Wähler. Das mache Hoffnung, dass die Regierung und die sozialdemokratische Bundeskanzlerin den Kurs auf die Ukraine ausrichten, sagt Adam Trachik.

Laut der deutschen Zeitung Die Welt führten die Stimmen von Politikern aus der ganzen Oder zu einem „Vertrauensverlust in die deutsche Politik in Warschau“. – Äußerungen des deutschen Vizeadmirals Schönbach, des bayerischen Ministerpräsidenten Seder oder führender SPD-Politiker hätten zu einer beispiellosen „Kluft in den polnisch-deutschen Beziehungen“ führen sollen, so die deutsche Zeitung.

– Und wann vertraute die jetzige polnische Regierung Berlin? Denn gegenseitiges Misstrauen und Abneigung begleiten uns seit Jahren. Außerdem habe ich noch nichts von bilateralen Konsultationen zur Ukraine gehört. Das ist Fahrlässigkeit auf beiden Seiten. Einerseits muss Deutschland als europäischer Vorreiter daran arbeiten, Vertrauen und Führung aufzubauen. Und das tun sie nicht. Wenn Warschau andererseits wollte, dass Berlin seine Optik akzeptiert und seine Rechte anerkennt, müsste es die Initiative ergreifen. Sie müssen sicherstellen, dass diese Stimme gehört wird. Eine andere Sache ist, dass Berlin in der Frage der Ukraine, abgesehen von unseren kalten Beziehungen, niemandes Vertrauen verdient hat … – sagt Adam Trachik.

Marlene Köhler

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