Meinung: Deutschland verdient das Vertrauen der Afghanen nicht | Internationale Nachrichten und Analysen | DW

Beim Lesen der Nachrichten über den letzten deutschen Rettungsflug, der in Kabul startete, fiel mir eine Anekdote ein, die mir vor zehn Jahren ein deutscher Politiker in einem Interview erzählte.

Während eines Aufenthalts in Afghanistan kam der Politiker mit einem Teppichverkäufer ins Gespräch. Beim Betrachten der ausgestellten Gegenstände verliebte er sich in einen bestimmten Teppich, der Hunderte von Euro kostete. Da er aber nicht genug Geld in der Tasche hatte, bat er den Verkäufer, den Teppich zu reservieren, bis er mit dem entsprechenden Betrag zurückkehrte. Aber der Verkäufer antwortete: „Nimm den Teppich und komm zurück, sobald du das Geld hast. Ich vertraue dir.“ Der Politiker hat sein Versprechen gehalten und den Teppichverkäufer nicht in die Irre geführt.

Warum hat Deutschland in Afghanistan nicht so gehandelt? Die Bundeswehr hat das Land unwiderruflich verlassen, aber Tausende verzweifelter Afghanen sind in Todesangst zurückgeblieben.

Vertrauensmissbrauch

Bundeskanzlerin Angela Merkel erinnerte am Mittwoch vor dem Parlament an die Opfer deutscher Soldaten im Kampf gegen den Terrorismus und beim Aufbau von Demokratie und liberalen Strukturen in Afghanistan. Er lobte den Auftrag und die Leistungen der Bundeswehr.

Aber die hervorragende Arbeit der Bundeswehr, verschiedener Bundesministerien und deutscher Hilfsorganisationen in Afghanistan wäre ohne die vielen ortskundigen afghanischen Hilfskräfte absolut unmöglich gewesen.

Da in der Bundeswehr fast niemand die Landessprachen Dari oder Paschtu spricht, waren die Assistenten als Dolmetscher während des Einsatzes in Afghanistan unverzichtbar. Seine Aufgabe ging oft weit über das bloße Übersetzen hinaus. Sie waren auch unverzichtbare Kulturvermittler und lokale Führer auf Patrouillen außerhalb der Truppenlager.

Und auch innerhalb der Stützpunkte wäre der Alltag der deutschen Soldaten ohne die Mitarbeit vieler lokaler Helfer anders verlaufen.

Ohne das in den letzten 20 Jahren aufgebaute Netzwerk aus Journalisten, Künstlern, Menschenrechtsaktivisten und vielen anderen wären die Bemühungen um Demokratie- und Bildungsförderung in Afghanistan lange vor dem Vormarsch der Taliban gescheitert.

Diese Menschen vertrauten Deutschland und den deutschen Behörden, vertrauten ihnen ihr Leben und das ihrer Familien an. Weil sie wussten, dass die Extremisten sie für Verräter hielten und dass die Arbeit für die Deutschen sie in Gefahr bringen würde. Viele dieser Menschen sind inzwischen in Afghanistan gestrandet und müssen auf die Gnade der Taliban warten.

die afghanische katastrophe

In ihrer Rede vor dem Parlament versuchte die Kanzlerin den dramatischen Fehler der Regierung zu rechtfertigen, nicht früher mit dem Abzug gefährdeter lokaler Kräfte begonnen zu haben. „Wenn es einmal passiert ist, ist es relativ einfach, zurückzublicken und genau vorherzusagen, was passiert ist.“

Nun befindet sich die Bundesregierung in der unangenehmen und absurden Lage, einerseits auch nach dem vollständigen Truppenabzug mit den Taliban über neue Rettungsmöglichkeiten zu verhandeln, ohne sie als legitime Herrscher anzuerkennen.

In dieser Hinsicht kann man der deutschen Regierung nur Erfolg wünschen. Neben den zurückgebliebenen lokalen Kräften ist Deutschland nun auch auf die Gnade der Taliban angewiesen, um unsere humanitären Helfer in Afghanistan und damit Deutschlands Ruf als vertrauenswürdiger Partner in der Welt retten zu können.

Die Katastrophe in Afghanistan ist, wie so vieles andere auch, mit finanzieller Hilfe nicht zu beheben. Dieses Versagen kostete Menschenleben, die fahrlässig gefährdet und bedroht wurden. Nichts kann diesen Schaden ausgleichen. Es bleibt nur noch, den Fehler zuzugeben und die Gründe für das Scheitern vollständig zu klären. Und schließlich entschuldigen Sie sich bei den Opfern und ihren Familien, was bisher weder Merkel noch ihre Minister getan haben.

Maissun Melhem ist Journalistin bei der DW. Der Text gibt die Meinung des Autors wieder, nicht unbedingt die der DW.

Baldric Schreiber

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