Zwei Diktaturen im 20. Jahrhundert haben Deutschland sensibler für den Datenschutz gemacht. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Staat mehr Informationen wünscht.
Mögliche Komplikationen
Viele Deutsche diskutierten wochenlang, welche Daten in einem staatlichen Coronavirus-Antrag stehen sollen. Die Diskussion zu diesem Thema endete mit einem Kompromiss auf der Ebene des kleinsten gemeinsamen Nenners. Sie dürfen für eine solche Bewerbung Daten erheben, sofern diese anonymisiert und dezentral gespeichert sind.
Noch ärgerlicher war der Gesetzentwurf des Innenministeriums, der diese Woche dem Bundesrat vorgelegt wurde. Es sieht die Erfassung von Daten zu Ausländern mit Wohnsitz in Deutschland in einem einzigen zentralen Register vor. Teilweise enthalten sie auch sensible Informationen wie politische Ansichten oder sexuelle Orientierung. Experten warnen davor, dass mögliche Lecks diese Menschen gefährden könnten.
Es gibt bereits ein Ausländerzentralregister (AZR), eine Datenbank, die ausgebaut werden soll. Eingeschlossen sind alle Personen, die nicht deutscher Staatsbürger sind und sich länger als drei Monate in Deutschland aufgehalten haben. Dort werden für Flüchtlinge zusätzliche Daten wie Fingerabdrücke und Gesundheitsinformationen gespeichert. Das neue Gesetz sieht die Hinzufügung einer Ausländeradresse in Deutschland, einer Identifikationsnummer im Herkunftsland sowie Asyl- und Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit diesem Verfahren vor.
Einblick in Tausende von Beamten
Bis heute wurden diese Informationen in rund 600 lokalen Auslandsbüros gespeichert und verwaltet. Sie müssen nun in ein zentrales Register überführt werden, das von vielen Institutionen und Ämtern wie Arbeitsämtern, Polizei, Bundeskriminalamt und Jugendämtern eingesehen werden muss. In der Praxis bedeutet dies, dass rund 150.000 Beamte und Beamte Zugriff auf diese Daten haben.
Tilo Weihert vom Deutschen Datenschutzbund (DVD) sagt, an der Digitalisierung von Personen- und sonstigen Daten von Ausländern sei grundsätzlich nichts auszusetzen. Dies kann das oft verzögerte Asylverfahren vereinfachen, wenn ein Asylbewerber seine Adresse ändert. Auch Dateien, die per Post zwischen verschiedenen Büros verschickt werden, verschwinden oft irgendwo auf dem Weg.
Ein irakischer Asylbewerber sagte der DW, seine wichtigen Unterlagen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seien im Briefkasten des Mieters angekommen. Auch die doppelte Registrierung einer solchen Person in behördlichen Fällen kann schwerwiegende Folgen haben. Eine zentrale Datenbank wird dies verhindern.
Risiko: Zurück zu den Verfolgern des Silbertabletts
Tilo Weihert sowie viele Fachleute von Wohltätigkeitsorganisationen, LGBTQ-Verbänden, Datenschutzexperten und einige Verwaltungsbeamte glauben jedoch, dass das Gesetz mit verschiedenen Mängeln behaftet ist. Selten sind sich Profis einig, wie es am 3. Mai der Fall war. Der Gesetzentwurf zielt aus ihrer Sicht in erster Linie auf die Bedürfnisse der Institutionen ab, berücksichtigt aber nicht die Rechte der Betroffenen. Sie können beispielsweise nicht wissen, was mit ihren Daten passiert und wer darauf zugreifen kann.
„Ich gebe zu, dass auch die Geheimdienste der Verfolgerländer eigene Agenten in den deutschen Büros haben“, sagte Weihert im DW-Interview. „Das Ausländerzentralregister wird ihnen die Daten der politisch Verfolgten auf einem silbernen Tablett aushändigen“, sagte er. Dies ist durchaus real, denn es gibt im Wesentlichen keine Kontrolle darüber, wer diese Dokumente einsieht.
Ist das in Deutschland möglich?
Dies belegen die Erfahrungen von Armin L., der auf der Suche nach Asyl nach Deutschland kam. Er behauptete, er stehe auf der Liste der in seinem Land zu liquidierenden Personen. Er lernte Deutsch und begann mit jeder Gelegenheit, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, in die Ausbildung zum Krankenpfleger. Vor diesem Hintergrund informierte er den Facebook-Gesprächskreis über die Möglichkeit des rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland auf Grundlage des Ausländerbeschäftigungsgesetzes.
Kurz darauf erhielt er eine Nachricht auf Facebook. Sein Absender warf ihm vor, Flüchtlingen falsche Versprechungen gemacht zu haben. Als Nachweis, dass er Beamter war, schickte er Herrn Armin am nächsten Tag einen Auszug aus dem Ausländerzentralregister mit seinen Angaben, einschließlich seiner Anschrift.
Armin L. war erschrocken. Er war der Ansicht, dass die Behörden seines Herkunftslandes möglicherweise ebenfalls Zugriff auf diese Daten haben und versuchen würden, ihn in Deutschland zu verfolgen. „Ich war schockiert, dass das in Deutschland möglich ist“, sagt er der DW. Seitdem fühlte er sich nicht mehr sicher, änderte seine Adresse und überlegte sogar ernsthaft, in ein anderes Land zu ziehen. Er meldete den Fall, aber die deutsche Staatsanwaltschaft wies ihn schnell zurück.
Ermittlungsjournalisten der ersten Sendung des deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehens fanden heraus, dass der Absender dieser schockierenden Nachricht nicht der Agent des Herkunftslandes von Armin L. war, sondern einer der Mitarbeiter des Bundesarbeitsamtes. Die Tatsache, dass er leichten Zugang zu den Daten des Ausländerzentralregisters hatte, zeigt, dass er nicht ausreichend gegen Missbrauch durch verschiedene Parteien geschützt ist.
Umstrittener Gesetzentwurf
Kritik übt auch die Politik am Gesetzentwurf zur Zentralisierung des Ausländerzentralregisters. Luise Amtsberg DW, Flüchtlingsexpertin der Grünen, sagte: „Wir sind für Asylsuchende in Deutschland zuständig, aber jetzt bringen wir sie in Gefahr.“ Zudem verstoße der Gesetzentwurf ihrer Ansicht nach ernsthaft gegen das Recht von Ausländern, sich in dem ihnen angemessen erscheinenden Umfang zu informieren.
Auch Hussein Ceder, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Arbeitsgruppe Migration und Integration, sieht das Projekt als Ausländerdiskriminierung. – Warum dieses Ausländerzentralregister? Haben wir irgendwo ein mitteldeutsches Register? er fragt.
Trotz dieser und anderer kritischer Stimmen wollen die Parteien der Regierungskoalition CDU/CSU und SPD das Gesetz bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode im Herbst verabschieden. Es wurde im Mai vom Bundestag verabschiedet, ebenfalls durch Stimmen von SPD-Mitgliedern, die verschiedene Einwände hatten.
Dem Bundesrat gehören auch Vertreter der Grünen und Linken an, die elf der sechzehn deutschen Bundesländer mitregieren. Im Bundestag stimmten Grüne und Linke gegen den Gesetzentwurf. Sie hoffen, dass es mindestens einmal behandelt wird, bevor es von der Zweiten Kammer des Deutschen Bundestages genehmigt wird.
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